Identitätskonstruktion durch Sprache
Expertin 3
In Polen geboren und im Alter von 10 Jahren nach Österreich emigriert. Erwerb der Deutschen und Französischen Sprache nach Migration nach Wien. Zuvor Kenntnisse einiger deutscher Phrasen aus Schallplatten der Eltern, welche deutsch sprechen konnten.
Die befragte Person arbeitet mit Sprachen, mittlerweile mehr als nur deutsch und polnisch. Sie übersetzt in beide Richtungen und unterrichtet in diesen Bereichen.
Identität
Identität wird für die Interviewpartnerin zunächst durch das Elternhaus vorgeprägt. Beide Eltern waren sehr bemüht die Sprachkenntnisse zu fördern. Durch polnische Lektüren, Zeitschriften und Musik ergab sich ein ständiger Bezug zur polnischen Kultur. Gleichzeitig entstand auch eine österreichische Identität durch die Schulgemeinschaft und den Freundeskreis. Sprache und Kultur aus Büchern allein genügt nicht, man braucht auch einen Bezug zum gegenwertigen Land, z.B. aktuellen Geschehnissen, Popkultur (aktuelle Filme und Musikhits über die gesprochen wird).
Die Identitätskonstruktion der Befragten geschah durch parallele Sozialisierung in der polnischen und österreichischen Kultur. Die Staatsbürgerschaft ist dabei völlig uninteressant für die Identität.
Die polnische Sprache
Sprache ist ein wichtiger Teil der Identität – es gibt zwar Ausnahmen (z.B. ein Österreicher, welcher von seinen polnischen Wurzeln erfuhr und sich seitdem der polnischen Identität zugewandt hat), aber man kann keine Identität für eine (zweite) Kultur entwickeln ohne Sprachkenntnisse.
Gerade beim Übersetzen sind enorme Kenntnisse der Kultur (neben hervorragenden Kenntnissen der Sprache) wichtig – diese können jedoch auch von Menschen erlernt werden, welche keinen Identitätsbezug zu dem Land haben. Wichtig ist, sich in die Gedanken, die Sprache, die Menschen hineinversetzen zu können. Dabei ist es irrelevant, ob man beispielsweise dasselbe Geschlecht, Hautfarbe, Alter etc. wie die Autor:innen der Originaltexte hat (in Anspielung auf die Debatte, ob nur Afroamerikanner:innen das Gedicht von Amanda Gorman „The hill we climb“ übersetzen können).
Die polnische Sprache kann in Kursen des polnischen Instituts erlernt werden. Zudem wird in Schulen auch ein muttersprachlicher Unterricht angeboten, welcher jedoch in den Augen der Befragten, reichhaltiger sein könnten. Es gibt auch private „Bürgerschulen“ sowie eine polnische Schule in Wien welche neben der Sprache auch die Kultur vermittelt z.B.: durch das Feiern von Festen).
Die polnische Community
Die Community der Pol:innen ist sehr gespalten, nicht nur politisch von links nach rechts, sondern auch je nach „Gruppenzugehörigkeit“. Es gibt Verbände, Vereine, Vereinigungen oder Gesellschaften für bestimmte Berufs- und Interessensgruppen, sowie Institutionen, welche ein großes Angebot an z.B. wissenschaftlichen Vorträgen, Kunst und Kultur anbieten. Zudem gibt es ein Angebot an Gottesdiensten in polnischer Sprache.
Stereotypen und Vorurteile über Pol:innen
Folgende Stereotypen wurden im Interview genannt:
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Polen sind unpünktlich. Dies ist eine Eigenschaft der Pol:innen, die die Befragte persönlich als störend wahrnimmt.
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Polen sind zuvorkommend. Als positive Eigenschaft nennt sie das zuvorkommende Verhalten beim Bezahlen im Restaurant, da Pol:innen in der Regel die Rechnung übernehmen. Die Rechnung wird in Polen in der Regel nicht geteilt, sondern von der Person gezahlt, die das Treffen vorgeschlagen hat.
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Polen sind sehr katholisch und gläubig. Tatsächlich gilt dies in Polen für einen Teil der Bevölkerung und für den anderen ganz im Gegenteil.
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Polen trinken viel starken Alkohol (Vodka). Bier ist allerdings gerade unter jüngeren Erwachsenen beliebter. Vodka wird mehr am Land getrunken, bzw. zu besonderen Feiern.
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Polen sind gute Arbeiter, nicht nur am Bau, jedoch vorrangig gilt dieses Vorurteil den Bauarbeitern.
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Sie stimmte auch zu, dass Polen sehr gastfreundlich sind.